Scharanser Zwischenruf

300 Jahre für den Wandel?

Scharanser Zwischenrufe

 

300 Jahre für den Wandel?

Linard Bardill

Über den Sack und die Esel

 

Mein Freund Martin meinte, man müsse noch mindestens 200 Jahre warten, bis die Schweiz mehrheitlich für ein Pestizidverbot und die Reduzierung von CO2 stimme. 

Der Hass auf die Eliten, die Weltretter, die Besserwisser sei so gross, dass jeder Vorschlag, das Leben für die kommenden Generationen zu bewahren, als Bedrohung und Beschiss empfunden werde. 

In den sozialen Netzen werden Umweltaktivisten mit Ungeziefer verglichen wie die Juden zu Zeiten der Nationalsozialisten. Bilder von Zecken, die sich in die Haut eines unschuldigen Kindes graben, kursieren mit dem Kommentar: grüne Zecken ausmerzen. Während vor 30 Jahren noch die Linken von Nazis als Zecken bezeichnet wurden, sind es jetzt Menschen, die sich um die Welt Sorgen machen. Klar Entgleisungen, aber während ein paar Covidskeptiker zu Scharen im Netz geblockt werden, kursieren diese witzigen Bildchen unermüdlich und verbreiten Hass.


Die Schere, die zwischen Arm und Reich aufgegangen ist, die drohende Verarmung der Senioren, die Sinnlosigkeit unzähliger Jobs, Milliardäre die keine Steuern zahlen, Working Poor, die ihre Kinder nicht zu ernähren wissen, Banker die Bonis in Millionenhöhe erhalten, auch wenn die Bank Verluste schreibt, Grossfirmen, die vom Staat Covidgelder bekommen und die Aktionäre damit füttern, löst Frustration aus, wenn man seine Familie kaum über Wasser halten kann. 

Und es führt zu einem Grundmisstrauen und Hass gegen die da oben. Doch die da oben wären eigentlich nicht die, die sich Sorgen um die Bienen und das Trinkwasser machen. Trotzdem sie sind jetzt die Prügelknaben.  So lauten denn die Slogans: Die Weltretter wollen euer Essen und Benzin verteuern.  Damit schmettern Öllobby, Agrarlobby, oder die Grosskonzerne mit viel Geld und einfachen Lügen jeden Versuch ab, etwas für die Zukunft, die Gesundheit der Menschen und das Überleben des Planeten zu unternehmen.


Müssen die intellektuellen Eliten, die Umweltaktivisten, die Zukunftsbesorgten wirklich über die Bücher? Müssten sie in erster Linie erst einmal verstehen, warum man ihnen etwas anhängt, wofür andere die Verantwortung tragen? Wie könnten sie darlegen, dass nicht sie diejenigen sind, welche das Projekt der Moderne: die Verheissung auf Wohlstand für alle, verraten haben. Und wie wollen sie das tun gegenüber einer Mehrheit von Abstimmenden, die auf diesem Ohr taub sind? 


Es ist wie beim Zahnarzt. Hört man beim Zähneziehen sehr laute Musik, spürt man den Schmerz nicht mehr. Rums und schon ist der Zahn draussen. So erscheint im Moment die Lage. Die Angst vor dem Verlust des Wohlstandes ist so dramatisch, dass man den wahren Grund des Verlustes nicht mehr versteht, ja nicht einmal mehr wahrnimmt. Der wahre Grund des Verlustes ist nämlich die Tatsache, dass die Erde gar nicht so viel Resourcen hergibt, dass es für diesen übertriebenen Wohlstand reicht, den wir erstreben. «Die Erde kann wohl unsere Bedürfnisse stillen, aber nicht unsere Gier», sagte Mahatma Ghandi. 

Und die laute Musik ist die Kakophonie derer, die nichts ändern wollen.

Denn es geht um den Wandel vom Wohlstand zum Wohlergehen i. Das ist die Erfindung der Welt, die uns Not tut. Und dieser Weg ist so einfach wie gewaltig. Ob die wohlstandsgeschädigte Menschheit dazu in der Lage ist, wird sich in den nächsten Jahrzehnten zeigen müssen, denn dreihundert Jahre bleibt uns nicht für diesen Wandel.


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