Scharanser Zwischenrufe • Kolumne vom 15. Juli 2020

Reichsein ja, aber wie? Eine Anstiftung zum Kind-Werden

Alles, was wirklich schön ist, wahr und gut, kann man für Geld nicht kaufen. Bei der Liebe ist es klar, beim Glück auch und beim schönen Wetter ebenso. Bei der Luft scheint es auch noch klar zu sein. Jeder Atemzug beweist, dass unser Atem kommt und geht, ohne je zur Wertsache zu werden.

Beim Wasser ist es schon etwas unklarer, man erinnert sich an den Ex- Nestlé Chef Brabeck, der meinte, Wasser müsste einen Wert haben, damit es nicht verschleudert wird. Das bedeutet: Nur was einen Marktwert hat, wird respektiert. Es bedeutet auch: Wer genug Geld hat, kann sich Wasser für seinen Swimming-Pool und den Golfplatz kaufen. Wer kein Geld hat, dem soll der Staat das Wasser gratis geben. Gratis ist aber nicht das gleiche wie umsonst. Die Fische haben das Wasser umsonst, die Menschen bekommen es im besten Falle gratis.

Beim Boden ist es ganz einfach. Wer den Boden besitzt, der ist auf der Gewinnerseite. Die Allgemeinheit baut die Strassen, die Wasserleitungen, die Kanalisation, die Elektroerschliessung, während der Bodenbesitzer zuschauen kann, wie der Boden immer teurer wird. Eines Tages - wenn aus ihm Bauland geworden ist - verkauft er ihn mit hohem Gewinn. Das Land ist ausschliesslich durch den Marktwert definiert und es gibt auch kein Menschenrecht darauf.

Ist nun die Behauptung, dass alles, was schön, wahr und gut ist nicht für Geld zu haben ist, falsch, oder ist es falsch, dass der Boden, die Luft und das Wasser käuflich sind?  Beide Aussagen gehen nämlich nicht zusammen.

Europa sieht sich als Wertegemeinschaft und hat damit einen schweren Stand, denn seit wir gelernt haben, dass Werte fast immer Marktwerte sind, ist uns das Gefühl für das Schöne, Gute und Wahre immer mehr abhandengekommen. 

Bei der Luft wäre man heute froh, die Verschmutzer müssten gehörig für sie bezahlen, die Fluggesellschaften, die Latswagenlobby und jeder, der den motorisierten ölbetriebenen Individualverkehr und die fossilen Heizungen betreiben. 

Das Gute aber liegt in der Erfahrung zu atmen, lebendig zu sein, zu geben und zu nehmen, ein Teil des Rhythmus des Ein und Aus zu sein. 

Die Abgas Kontingente und der damit verbundene Ablasshandel sind nur ein hoffnungsloser Versuch, die Zerstörung des Gleichgewichtes zwischen CO2 und Sauerstoff wieder her zu stellen. Gut wird die Luft so nie werden. Denn sie ist schon gut.

Alles, was Kraft und Transformation ist, wird durch das Feuer erwirkt. Seine Strahlen sendet die Sonne bis zu uns auf die Erde. Die Photosynthese wandelt dieses Licht in Stoff. Das Feurige wandelt Festes in Gas und Bewegung. Doch auch das Feuer wurde käuflich, ein Marktwert, in Form von Dampfmaschinen, von Motoren, von Computern und Solarpannels. 

Darum suchen wir in diesen Tagen, den Ort an einem See, einem Meer, einem Strand, der allen gehört, mit Zugang zu einem Wasser, das nicht gekauft werden kann, unter einem Himmel, der wie ein blaues Nichts vorhanden und doch nicht vorhanden ist und einer Sonne, die sich verströmt und alle Wesen wärmt und nährt. 

Während des Lockdowns wurde vielen bewusst, dass wir im Paradies leben, wenige begriffen, dass sie selbst das Paradies sind, und vielleicht ergriffen einige von uns die Erkenntnis, dass alles da ist, gut schön und wahr. 

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