Mag sein, ich bin eine Kitschnudel, aber was ich heute morgen sah, hat, mich bewegt. Ein dänischer TV - Sender lud ganz verschiedene Menschen in eine Sendung ein. Man platzierte die Teilnehmer*innen unter verschiedenen Gesichtspunkten auf verschiedenen Bodenquadrate. Die Vielverdiener, die Working Poor, die Religiösen, die Alteingesessene, die Neudänen, Junge, Alte.
Dann stellte der Spielleiter die Frage, wer in der Schule der Klassenclown gewesen sei. Einige lösten sich aus ihrer Gruppe und traten in die Mitte. Weitere Fragen: Wer ist oder hat einen Stiefvater, wer wurde als Kind geschlagen, wer ist kurzsichtig? Plötzlich entstanden ganz andere Wir’s. Wirs, die nicht durch ihre offensichtliche Zugehörigkeit entstanden, sondern durch unsichtbare Gemeinsamkeit.
Diejenigen, die an ein Leben nach dem Tod glaubten, die schon mal ein UFO gesehen hatten, und alle, die gerne tanzten.
Es entstanden neue Gruppen, wir, die gemobbt worden sind, wir, die andere mobbten, wir die glücklichen, die letzte Woche Sex hatten, wir, die an gebrochenem Herzen leiden, wir die uns einsam fühlen, und wir, die bisexuell sind. Da war aber nur einer, der in die Mitte trat. Der Rest applaudierte spontan.
Spätestens an dieser Stelle konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ja, ich bin eine Romantikkastanie! Denn Romantik ist unter anderem der Versuch, gemeinsam zu träumen. Und momentan scheint mir, wir haben zu wenig Platz, weder für Gemeinsames noch für Träume.
Dafür gehen die Differenzen hoch. Für die C-Masssnahmen oder gegen, Maskenpflicht in den Schulen no go oder überlebensnotwendig, Aufhebung des Lokdowns überfällig oder kollektiver Selbstmord. Die Emotionen wallen. Das Zwi im Zweifel, der Zwietracht, dem zweischneidige Schwert, das Zwi ..., das zwischen uns ist, hat Hochsaison.
So kommen wir immer mehr in die Spaltung. Junge gegen Alte, Reiche gegen Arme und Befürworter gegen Gegner.
Zugegeben, es ist schwierig für eine gute Welt zu kämpfen, für das Richtige und das Schöne, ohne die Fehler, die Ungerechtigkeit und die Dummheit, ohne die Lüge und das Hässliche beim Namen zu nennen.
Doch mit dem Zwi schafft wir nur den Krieg, Heilung geschieht anders.
Wer kennt das Gemeinsame, kann was verborgen ist sichtbar machen, wer kann die Schranken öffnen, die zwischen uns sind? Wer kann die Schubladen, in die wir uns gegenseitig pferchen und in die wir uns freiwillig hineinzwängen, aufmachen, frische Luft, andere Sichtweisen, Freiheit schaffen?
Was bedeutet Befreiung? Befreiung aus dem Zwang, Recht zu haben, die Mehrheit zu bekommen, die Macht auszuspielen? Wir haben uns in ein Denken hineinmanövriert, in dem wir uns in stetem inneren Kampfmodus befinden. Immer stehen wir vor einer Abstimmung über das Richtige und Falsche und über die, welche recht haben oder unrecht. Nichts gegen Abstimmungen, aber alles zu seiner Zeit.
Ich wünsche mir Räume, in denen nicht das «Zwi» vorherrscht. Räume wie den Wald, der uns kein Urteil abverlangt oder unsere Emotionen aufpeitscht. Die Vegetation und ihre Wesen hatten Milliarden Jahre Zeit, sich zu entwickeln. Wir sind erst seit kurzem da. Der Wald hat mehr begriffen als wir Menschen, denn hätte er es nicht begriffen, wäre er längst verschwunden.
Ich wünsche uns Stunden im Wald, am Bach oder auf dem Berg, dass wir mit allen anderen Bewohnern dieser Erde wieder lernen, das Gemeinsame zu träumen.