1 Traum und 12 Lieder
Der Liebe entlang spannt Linard einen grossen Bogen von Kontinent zu Kontinent, vom Tod zum Glück.
Manche vergleichen ihn mit einem mittelalterlichen Barden, andere haben ihn als unplugged Hiphopper bezeichnet, wieder andere ziehen Bergtäler und Lawinen bei, um seine Stimme zu beschreiben, und die vierten werfen roten Mohn auf die Bühne. Entziehen kann sich kaum jemand. Seine Bühnenpräsenz, seine Geschichten und seine Lieder sind so eigenständig wie allgemein, so einfach wie verworren, so sperrig wie mitsingleicht. Bardill ist Feuerwerk und Kerzenschein, Wasserfall und Schaumbad, säuselnder Sommerwind und pfeifender Wintersturm. Er ist immer für einen Aufstand gut, für eine Stunde unter dem Seidelbast und für ein Fest bei Frau Minne, deren Lieder er am liebsten singt:
Komm Geliebte, komm, es sinkt die Nacht,
vertreibe mir durch deiner Schönheit Pracht
des Zweifels Dunkel,
Komm nimm den Krug und trink,
eh man aus unserem Staube Krüge macht
Komm nimm den Krug und trink,
eh man aus unserem Staube Krüge macht.
Seit einem Jahrzehnt singt Linard Bardill seine Liebeslieder und nun hat er sich entschlossen, einen Abend zu gestalten, wo nur noch sie zu Wort und Musik kommen sollen. Der Liebe entlang spannt er einen grossen Bogen von Kontinent zu Kontinent, vom Tod zum Glück, verschweigt den Alltag nicht, an dem die Sehnsucht zerschellt und singt allen, die den Mut zum Träumen nicht verloren haben, das Lied von der Nacht, die heller ist als manche Tage.
Presse, Stimmen, Meinungen…
Ein Stuhl, eine Gitarre, ein Bardill: der zur Zeit beste Liebesliederschreiber deutscher Zunge. (Tagesanzeiger)
Seine Poesie ist die eines Troubadours, der mit lauten Tönen fesseln und mit leisen Kerker sprengen kann. (Mitteldeutsche Zeitung)
«Männerkunst hat immer mit toten Frauen zu tun»
Ein Abend mit Linard Bardill im Historischen Museum zu Baden
Verrückt und berauschend, das ist die Poesie des Bündner Theologen und Liedermachers Linard Bardill. Im Rahmen der Ausstellung «Liebeslänglich» im Historischen Museum Baden hat er die Paradiesgärten und Höllenschlünde des verwirrendsten aller Gefühle ausgelotet.
Bardill spielt mit Bildern und Klischees wie mit Steinen und Fensterscheiben: Es klirrt, und die Leute erschrecken und lachen zugleich. Gerade die originellsten Schöpfungen verraten die rastlose Suche nach Sprache, die an die Gefühle heranreicht. Beim Betrachten seiner Liebsten kommt es ihm vor «wie Haschisch im Altersheim», aber eben auch .wie ein Sonnenaufgang - «ei huare Kitsch», beklagte der Bündner Künstler im Lied selbst die Unmöglichkeit, auf klassische Bilder zu verzichten. Auf seiner chronologisch angelegten Reise durch das Reich der Liebe - verliebt, verlobt, ghürote, gschiede - mischte er Eigenes mit Überkommenem, Altes mit Neuem.
Der klassisch Gebildete sang nicht nur, sondern erzählte, sinnierte und rezitierte viel. Neben dem biblischen Hohelied der Liebe («oft kopiert und nie erreicht») las er aus den «Enthüllungen eines Engadiner Schweinehunds»; neben Linard Bardill stand Richard Wagner («auch so ein Liedermacher»). Starke Thesen durften nicht fehlen: «In der Weltliteratur gibt es keine einzige glückliche Liebesgeschichte», behauptete er und liess gleich die grossen Dramen Revue passieren: Orpheus und Euridyke, Romeo und Julia. Der Grund: «Berühmt wirst du nur, wenn du Liebesgeschichten erzählst, bei denen die Liebe in die Hose geht.» Philemon und Baucis liess er als Gegenbeispiel nur halb gelten: Schliesslich waren die beiden schon über achtzig.
Bardill ist mindestens ebenso sehr Erzählkünstler wie Chansonnier. Den Inhalt seiner beiden rätoromanischen Lieder führte der Barde blumig und gestenreich ein, und im Publikum reihte sich ein Lacher an den andern. Die schlichte Präsenz des Alleinunterhalters war abend- und saalfüllend.
Ein weiteres Fragment des Liebes-Spektrums: das Vermissen. «Orpheus wurde erst Künstler, als er seine Frau definitiv verlor», führte Bardill aus und gelangte von da aus zum waghalsigen Schluss: «Männerkunst hat immer mit toten Frauen zu tun.»
Am Ende des Abends stand der Hörer ergriffen und ratlos vor dem umtreibenden Rätsel der Liebe, erfüllt und ausgeliefert zugleich. (mks)
Ein «Liebesdiener» (Stefan Ulrich)
Er lässt sich vom Schneekristall genauso inspirieren wie von den uralten Themen der Menschheit: Der Bündner «Liederer» Linard Bardill hat für ein Konzert im Rahmen der Ausstellung «Liebeslänglich» ein Programm mit Liebesliedem zusammengestellt.
Einer, der mit der Klampfe auf der Bühne steht und Lieder singt, wird als Liedermacher bezeichnet. Nicht aber Linard Bardill. Er beharrt auf dem Ausdruck «Liederer». Und schon ist man mitten in einer politischen Diskussion. Denn die Bezeichnung Liedermacher, so erklärt Bardill, gehe auf Wolf Biermann, den aus der DDR ausgebürgerten Protestsänger zurück. Dieser habe sich Liedermacher genannt, um seiner Arbeit einen proletarischen Anstrich zu geben. Ein Möbelmacher macht Möbel, ein Biermann Lieder. Beides ist Handwerk. Das ist Bardill zu prosaisch, zu dogmatisch, zu eingeschränkt. «Poesie ist immer noch etwas mehr als Programm oder These, Poesie ist anarchisch und daher nicht mit Welterklärungen koppelbar.»
Bekehrter Theologe
Poesie findet Linard Bardill in den Blättern an den Bäumen oder in den Schneekristallen, die seiner Heimat gerade jetzt Segen und Gefahr zugleich sind. Bardill: «In den kleinsten Dingen kann man einen Zugang zur Welt finden.» Spricht da ein Traumtänzer, ein Esoteriker? Bardill hat einen ungewöhnlichen Werdegang. Er wuchs in Chur auf, verbrachte sieben Jahre im Internat in Schiers und reiste dann per Autostopp nach Indien. Nach seiner Rückkehr studierte er Theologie und beendete das Studium als "verbum divini minister". Aber die Kirche musste auf die Talente des «Diener des göttlichen Wortes» verzichten. Bardill wandte sich der Kunst zu, wurde Musiker, Sänger, Autor und Satiriker. Die Indienreise muss ein Schüsselerlebnis in seinem Leben gewesen sein. Immer wieder kommt Bardill auf den Tag zurück, als er in einer deutschen Bibliothek in Neu Delhi eine Entdeckung machte, die ihn heute einen Satz wie «Liebeslieder sind das Revolutionärste, was man den Leuten anbieten kann», sagen lässt. Bardill hatte in Indien die Gedichte von Else Lasker Schüler gelesen. «Ihre Gedichte sind Liebeslieder, die es immer auch mit der Welt und der Geschichte zu tun haben». Schülers Verse wurden zum Vorbild für sein eigenes Schaffen.
Progressiv gefühlsbetont
Ob Bardill über den Bündner Urwald «Tamangur» singt oder mit Kindern guckt, «was der Mond so macht», immer geht es in seinen Liedern zentral um die Liebe. Denn die Liebe lässt sich für den Liederer nicht auf eine Beziehung zwischen zwei Menschen reduzieren. «Liebe ist da, wo ich bei mir bin, und von da aus gibt es einen Zugang zum Du und zur Welt». Wer ehrlich ist, kann keinen Ideologien huldigen, muss Normen in Frage stellen, muss unbequem sein. Wohl deshalb gilt der Mann mit den wehenden Haaren im Bündnerland als "links"und "progressiv". Aber Bardill ist in gewisser Weise auch furchtbar altmodisch. Er singt über Liebe, Leidenschaft, Tod, Hass und Beziehungen. Das tun die Menschen seit sie reden können. Doch Kunst macht der, der diese Themen «neu» ausdrücken kann.