Die Insel
Kontext "die Insel" wirf dich den Wolken zum Frass vor, 12 Tage Gesang
Seit 4 Jahren richtet Linard Bardill in seinem Atelier Tagungen zum Thema «Sterben für Anfänger» aus. Dabei entstand ein grosser Zettelkasten mit Liedern, Vorträgen und Essays. Aus den gesammelten Texten wollte Bardill ein Sachbuch zum Thema Leben und Sterben schreiben. Er zog sich im Winter 2017/18 für zwei Wochen auf die Insel La Gomera zurück. Und es kam ganz anders als geplant.
Schon auf der Fähre schrieb er das erste Gedicht und in kurzer Zeit entstand "die Insel“, ein Poem in 12 Gesängen.
Presse, Stimmen, Meinungen…
«Das Poem ist ein Memento Mori und Sonnengesang, bringt Odysseus mit Gandhi zusammen auf einer Insel, die ich, überzeugter Festländer, nach der Lektüre als geborener Insulaner verlasse. Hinaus in eine Welt, die auch mich tanzt, um es mit der Feder, der 12 Gesänge zu sagen.» Hardy Ruos
«Das Werk beeindruckt durch den Ernst und die Leidenschaft, mit der letzte Fragen der menschlichen Existenz gestellt und in Ansätzen beantwortet werden.» Peter von Matt
«Mich hat Dein grosser Gesang aus den Socken gehauen. Ich bin immer noch ganz atemlos. Auf 90 Seiten hast Du es uns gegeben. Das ist wohl einer der wichtigsten Texte der letzten Jahre, die ich gelesen habe.» Gion Mathias Cavelti
«Das Buch ist eine Schatzkiste» Ruth Schweikert
Von der Suche nach Erkenntnis
Im Gedichtband «Die Insel» erzählt Linard Bardill von einem berührenden Einweihungsweg im Spiegel von Sterben und Tod.
von Christian Ruch
Linard Bardill ist nicht nur ein Komponist und Sänger lustiger Kinderlieder. Der Künstler aus Scharans ist auch ein Mensch, der sich sehr intensiv mit den existenziellen Fragen des Daseins befasst, etwa den Themen Sterben und Tod. Am Wochenende vom 9. und 10. November bietet er eine Tagung mit dem Titel «Sterben für Anfänger oder die Kunst, am Leben zu bleiben» an, die sich dem gemeinsamen Nachdenken um das Werden, Sein und Vergehen widmet.
Und Bardill hat ein sehr beeindruckendes Werk veröffentlicht: «Die Insel», so der Titel, bietet einen «Zwölf Tage Gesang». Es ist scheinbar eine Art Vermächtnis, denn leitmotivisch ist am Anfang der Tage immer wieder die Rede davon, dass der Verfasser bereits verstorben ist, wenn jemand, den Bardill als «fernen Begleiter» bezeichnet, das Buch in Händen hält. Es ist also keine Zeit mehr für leeres, oberflächliches Geschwätz. Und so sind die Gedichte von einer aussergewöhnlichen, zarten Schönheit, wie sie nur jemand entstehen lassen kann, der sich mit dem Sterben auf die eindringlichste Weise, die überhaupt nur möglich ist, auseinandergesetzt hat. Um «Endlichkeit zu vernehmen, / sterben zu lernen, / darum kam ich hierher auf die Insel», schreibt Bardill.
Heitere Gelassenheit
Das Sterben hat seinen Schrecken verloren, mehr noch, es ist Quelle des Trostes. Bereits am ersten Tag heisst es: «Nichts ersehnen wir Menschen / mehr als Trost, / und mein Trost ist der Zuspruch, / dass wir sterblich sind. / Stelle ich mir vor, / es gäbe für mich keine Endlichkeit, / wie verzweifelt wäre ich, / der einzige und allein.» Solche Zeilen liegen völlig quer in einer Zeit der immer raffinierteren Lebensverlängerungsmaschinerie in den Spitälern. Doch Bardill kennt eine geradezu heitere Gelassenheit angesichts des unausweichlichen Gangs alles Lebendigen: «Was soll ich mich fürchten / vor dem Unentrinnbaren? / Alles ist gut. Nichts hält dich fest. / Wir sind gehalten.»
Diese Erkenntnis ist Teil eines quasi gnostischen Prozesses, den Bardill als «Rückeroberung meiner Aufmerksamkeit» bezeichnet und die das Motiv für die «Flucht auf die Insel» ist: «Wenn ich nur wüsste, was es bedeutet / aufzuwachen!» Bardill rezipiert die grossen Mythen der Menschheitsgeschichte, in denen es auch immer wieder um das Erwachen zur Erkenntnis geht. Das ist weit entfernt von der heutigen Wohlfühl- und Gebrauchsesoterik in Form marktgerechter Instant-Erleuchtung für Spiritualitätskonsumenten, sondern ein mitunter harter und schmerzhafter Einweihungsweg, eine Initiation zum Wach-Sein in Gestalt des Ringens mit sich selbst: «Schrecken und Zerstörung? / Geh durch sie hindurch, / sagt die Erfahrung, / durch die Hölle, wenn sie deine ist. / Doch fremde Höllen meide, / du kannst sie nicht ertragen.»
Man kann Bardill nur wünschen, dass dieser wunderbar intime Einweihungsweg der zwölf Tage auf der Insel eine Spur legt, der möglichst viele zu folgen bereit sind. Dass möglichst viele den Mut haben, in diesen Spiegel zu blicken, der Erkenntnis heisst.